Wiederaufnahme erfolgreich

Aus Falschbeschuldigung
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In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten: So entschied ein Schöffengericht des Gießener Amtsgerichts am Dienstag im Fall eines mutmaßlichen Vergewaltigers, nachdem nicht nur Verteidigung, sondern auch Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretung für einen Freispruch plädiert hatten.

Der türkischstämmige Mann war vom Amtsgericht Friedberg 2009 schuldig gesprochen worden, seine damalige Lebensgefährtin in den Jahren 2007 und 2008 in Friedberg und Frankfurt mehrfach vergewaltigt und misshandelt zu haben. Rechtsfehler hatten zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens geführt. Über ein Jahr seiner Haft hat der Mann bereits abgesessen.

Es handele sich um »kein zufriedenstellendes Ergebnis«, sagte Richter Dr. Johannes Nink über die Entscheidung, der eine langwierige Beweisaufnahme und viele Zeugenanhörungen vorausgegangen waren. So deute vieles darauf hin, dass es zu Gewalthandlungen in der Partnerschaft gekommen sei, auch die angezeigte Vergewaltigung sei nicht auszuschließen. Gleichzeitig spreche auch einiges dafür, dass die Frau die Vorwürfe nur erfunden haben könnte. Auf die geplante Befragung des Opfers durch die Verteidigung wurde nach einem Rechtsgespräch verzichtet. Verteidiger Torsten Fuchs betonte die Schwierigkeit eines Falls, in dem eindeutige Beweismittel fehlten. So stehe Aussage gegen Aussage zweier Personen, die einmal glücklich miteinander waren. Widersprüche in den Aussagen, die die Frau im Lauf der Jahre gemacht hatte, sah er als Indiz dafür, dass die Frau die Geschehnisse im Nachhinein umdeute. Etwa, um dem ehemals geliebten und jetzt verhassten Partner den Kontakt zu dem gemeinsamen Kind zu verwehren. Anders begann Staatsanwältin Janny Link ihr Plädoyer: Viele Punkte sprächen für eine Vergewaltigung, auch habe die Frau durch ihre Betroffenheit überzeugt. Dass sie dann mit einem Antrag auf Freispruch schloss, verwunderte die Anwesenden: Stutzig gemacht habe sie eine durchgängige »Überdramatisierung des Geschehens«, im Endeffekt seien ihre Zweifel an der Schuld des Angeklagten zu groß. Noch überraschender war, dass sich auch Nebenklagevertreterin Barbara Hengefeld, die das Opfer vertrat, aus Mangel an Beweisen dem Antrag auf Freispruch anschloss. Von »Widersprüchen, wo man hinschaut«, war auch in der Urteilsbegründung die Rede, von »Unwahrheiten in wesentlichen Nebenpunkten«, die von Bedeutung für das Kerngeschehen seien. So attestierte Nink der Frau ein »hysterisch wirkendes Verhalten mit einer Neigung zur Übersteigerung«. Ein Gefühlsausbruch in einer vorherigen Sitzung sei durchaus glaubhaft gewesen, jedoch ergäben die Aussagen der Frau ein ambivalentes Bild. Ein wesentlicher Punkt betraf eine angebliche Aussage, die die Frau am Tag nach der ersten Vergewaltigung gegenüber einer Polizeistreife gemacht haben will. Von einem polizeilichen Protokoll fehlt jedoch jede Spur und führte auch nicht zu einer Strafanzeige. Ein weiterer Punkt betrifft das Verhältnis zu ihrem Ex-Partner. So hatte sie nicht glaubhaft erklären können, warum sie auf der Flucht vor ihm nach Friedberg gezogen sei, wobei sie wusste, dass er sich dort regelmäßig aufhalte.

Auch, warum sie ihn, während sie sich eigentlich vor ihm verbergen wollte, angerufen und ihm ihre Adresse mitgeteilt hatte, konnte nicht schlüssig dargelegt werden. Sicherlich habe die Frau Schweres erlitten, aber auch dabei immer versucht, ihre eigenen materiellen Interessen gezielt zu verfolgen, erläuterte Nink. »Die Wahrheit kennen nur Sie«, richtete sich der Richter an den Angeklagten, »und mit der müssen Sie leben.«[1]

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