Angeblicher Vergewaltiger X

Aus Falschbeschuldigung
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Unterseen | 14. Mai 2012
Widersprüchliche Aussagen liessen Gericht zweifeln. Angeklagter vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen
Das Regionalgericht Oberland sprach in Thun einen 27-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung frei – die Klägerin hatte sich bei den Befragungen in Widersprüche verwickelt. Der Fall spielte sich im Herbst 2009 in Unterseen ab.

Ende September 2009 in einem Wohnblock in Unterseen: Drei junge Männer und zwei junge Frauen balkanischer Abstammung treffen sich in der Wohnung der Eltern des einen Mannes. Die Gruppe begibt sich in das Untergeschoss des Blocks. Klägerin K. und der Angeklagte X. (Namen der Redaktion bekannt) gehen zusammen in einen Veloabstellraum, die Schwester von K. verschwindet derweil mit dem Kollegen von X. in den Nebenraum.

Ein wenig» eingedrungen

K. und X. küssen sich, ganz einvernehmlich. Was danach genau geschieht, bleibt unklar. Laut Anklage von K. packte X. sie an den Armen und warf sie zu Boden. Als sie wieder aufstehen wollte, habe er sie erneut zu Boden gedrückt und ihr daraufhin gegen ihren Widerstand die Hose ausgezogen. K. begann nach eigenen Angaben zu schreien, X. hielt ihr den Mund zu. Trotz ihrer Gegenwehr habe er danach zuerst versucht, mit einem Finger in ihre Vagina einzudringen, und sie dabei gekratzt. Anschliessend drang X. laut K. gegen ihren Willen mit seinem Geschlechtsteil «ein wenig» in ihre Vagina ein und stiess sie gleichzeitig gegen die Wand. Weil K. dabei schrie, soll X. sie am Hals gepackt und ihren Kopf mehrmals gegen die Wand geschlagen haben. Erst als K. schwindlig wurde und sie aufhörte, sich zu wehren, liess X. laut Anklageschrift von ihr ab.

Mit der Klage gewartet

Rund vier Monate nach der vermeintlichen Tat ging K. mit ihrer Schwester und einem Freund zur Polizei und meldete den Fall. Weil sie zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war und aus diesem Grund ihre Eltern hätten informiert werden müssen – was K. mitunter aufgrund ihrer Herkunft verhindern wollte – erhob sie keine Anklage. Im Sommer 2010, nur wenige Tage nach ihrem 18. Geburtstag, erschien K. schliesslich zur Einvernahme bei der Polizei und schilderte den Fall der Untersuchungsrichterin. X. wurde daraufhin sechs Tage in Untersuchungshaft genommen. An der Hauptverhandlung, von der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, wurde der Angeklagte nun vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen.

Widersprüche bei den Befragungen

Das Regionalgericht Oberland begründete den Freispruch damit, dass die Aussagen von K. verschiedene Widersprüche enthielten. So erzählte sie etwa in einer ersten Version, das Treffen mit den drei Männern sei zufällig zustandegekommen. Zu einem späteren Zeitpunkt hiess es dann, die Gruppe habe sich verabredet. Auch bei der Schilderung des Tathergangs selbst verwickelte sich K. in Widersprüche. So gab sie erst zu Protokoll, ihre Schuhe selber ausgezogen zu haben und erzählte später, X. habe ihr diese ausgezogen. Einmal redete sie davon, X. sei mit seinem Finger in ihre Scheide eingedrungen, später wiederum gab sie an, er habe sie mit dem Finger nur leicht berührt. Zudem gab K. nicht in jeder Befragung an, um Hilfe gerufen zu haben. Und hätte sie es getan, hätte es gerade die Schwester im Nebenraum hören müssen, glaubt Gerichtspräsident Peter Moser.

Zu grosse Zweifel

Das Gericht befand ihre Geschichte zudem als nicht nachvollziehbar, weil sich K. angeblich gewehrt hat, X. aber trotz ihres Widerstandes mit nur einer Hand ein Kondom hervorgenommen und übergestülpt haben soll. Als besonders unglaubwürdig befand das Gericht die Tatsache, X. habe von K. abgelassen, nachdem ihr schwindlig wurde. Ein solches Verhalten sei für Vergewaltiger untypisch: Denn wenn ein Täter schon die Gelegenheit habe, wolle er auch ans Ziel kommen. Gerichtspräsident Moser schloss nicht aus, dass «tatsächlich etwas strafrechtlich Relevantes geschehen ist». Für eine Verurteilung waren die Zweifel aber zu stark. Im Gegensatz zu K. fiel die Version von X. sehr detailliert aus und war für das Gericht nachvollziehbar. Der inzwischen 27-Jährige wurde freigesprochen und erhält eine Entschädigung.[1]

Einzelnachweise